Wie schon im ersten Bericht kurz angedeutet, befindet sich nördlich von Malindi der Fluss Sabaki. Er führte gerade wenig Wasser, was es ermöglichte, uns einmal den Fluss und sein Delta genauer anzusehen.
Wir besuchten Raimond in einem winzigen Büro an der Sabaki-Brücke. Er ist der Leiter einer privaten Initiative, die sich zur Aufgabe gemacht hat, den an den Ufern des Flusses angespülten Müll einzusammeln, bevor dieser in das Meer gelangt. Der Fluss, der von der Hauptstadt Nairobi durch das gesamte Land bis ans Meer führt, ist wohl einer der größten Müllkippen des Landes - ein 1.600 Kilometer langer Mülleimer für die Bevölkerung.
Raimond und sein Team arbeiten mit Schulklassen zusammen, um nicht nur den Müll einzusammeln, sondern auch um die nächste Generation für die Problematik des Mülls zu sensibilisieren.
Mindestens einmal im Monat führt die Initiative mit Schulklassen eine Säuberungsaktion durch. Leider kann nur das an Müll eingesammelt werden, was am Ufer liegt. Der Rest des Mülls gelangt ins Meer und wird teilweise durch die Tide entweder wieder zurück in das Flussdelta gespült oder gelangt dann wieder an die Küste, wo er eingesammelt werden könnte. Was nicht mehr angespült wird verbleibt im Meer und wird von keinem mehr eingesammelt, was für die meisten Lebewesen im Meer eine tödliche Gefahr darstellt. Klar liest und sieht man Berichte, aber wenn man das mal mit eigenen Augen gesehen hat, wie jede Minute Müll in das Meer fließt, dann sträuben sich einem schon mal mächtig die Haare. Ich kann es mir gar nicht vorstellen, wie viel Müll es sein mag, der über alle Flüsse weltweit ins Meer gelangt.
Was mich bei dieser Initiative fasziniert, ist der Wille alte gemachte Fehler wieder zu korrigieren. Im Fluss-Delta werden von den Umweltschützern massiv Mangroven-Wälder aufgeforstet. Das Holz der Mangroven wurde in der Vergangenheit wegen seiner Härte für den Bau und auch als Brennholz hemmungslos abgeholzt. Dabei sind Mangroven die Lebensgrundlage für so viele Menschen und Tierarten. Diese Wälder zwischen Land und Meer sind ein wichtiger Baustein im Lebenszyklus von Küstenökosystemen. Sie bieten Lebensraum für viele Fischarten und Krebsen. Mangroven sind ein Schutzwall, welche die Wellen und deren Höhen verringern, was die Küste auch vor Überschwemmungen schützt. Zudem speichern Mangroven Kohlenstoff, was für das globale Klima nur positiv sein kann.
Die Aufforstung ist ganz einfach. Die Mitglieder der Initiative, die es seit 2009 gibt, spalten Jungpflanzen und haben damit neue Setzlinge, die gepflanzt werden können. Ich persönlich kam aus dem Staunen beim Anblick der neuen Wälder und dem Gewusel von Tieren darin nicht mehr heraus.
Was der Initiative völlig fehlt ist Geld für Material für ihre wichtige Arbeit. Sie haben keine Organisation und erhalten weder Zuschüsse noch Spenden. In dem etwa 4 m2 großen Büro an einer Hauptstraße in der Nähe der Sabaki-Brücke befanden sich gerade mal ein kleiner Schreibtisch, zwei Stühle, ein Schreibblock und ein paar alte Zeitschriften. Nur mit Mühe können sie die monatlichen 30 US-Dollar für die Miete aufbringen, der Treffpunkt, Informationszentrum und Lager zugleich ist. Die Aktivisten haben keinen Laptop oder einen PC und beklagen sehr, dass sie keine Webseite haben. So viele Schulklassen haben sie schon in ihre Aktionen involviert und viele Schüler fragen nach mehr Informationen. Auch die Lehrer, Besucher des Büros und viele andere interessieren sich für das Projekt und können sich leider kaum darüber informieren. Flyer können sie sich auch nicht leisten. So viel Potential geht hier leider völlig verloren.
Die Aktivisten sind auch völlig auf sich alleine gestellt. Sie können in diesem großen Gebiet auch nur überwachen und setzen z. B. bei illegaler Tierhaltung oder bei illegaler Abholzung rein auf Aufklärung. Die Polizei hilft ihnen dabei nicht, denn die hat nur ihre eigenen Interessen!
Auf meine Frage, was sie denn mit dem eingesammelten Müll dann nach einer Säuberungsaktion machen, antwortete mir Raimond, dass dieser an Ort und Stelle vergraben wird. Sie haben keine Transportmöglichkeit. Ich schüttelte nur den Kopf. Das ist sinnloser Aktionismus, denn die Dünen am Strand wandern und bei den nächsten Fluten in das Delta wird der Müll aus dem Sand wieder herausgespült.
Nur mit Sandalen und einfachsten Mitteln und von Hand wird der Müll eingesammelt. Geeignete Mittel dazu fehlen völlig. Raimond lud uns ein, bei der nächsten Müllsammelaktion teilzunehmen, die in ein paar Tagen stattfinden sollte. Wir nahmen dankend an und fragten ihn, was wir denn dafür besorgen könnten. Raimond schrieb uns eine Wunschliste.
Einen Baumarkt, so wie wir ihn kennen, gibt es in Malindi natürlich nicht. Wir besuchten Märkte und Geschäfte und besorgten nach und nach Rechen, Harken, Spaten, Schubkarren, Handschuhe, Gummistiefel, Sammeltaschen und Desinfektionsmittel. Zudem kauften wir neue Macheten, damit sie schneller und noch mehr Setzlinge für die Aufforstung der Mangroven-Wälder gewinnen können.
Ein paar Tage später ging es los. Auf zum Müllsammeln. Was mich persönlich sehr nervte waren die Polizeikontrollen an der Sabaki-Brücke. Jedes Mal, wenn wir passierten, wurden wir nicht nur nach unseren Ausweisen, sondern auch nach Wasser oder noch dreister nach Geld gefragt. Unser Fahrer meinte nur, etwas Trinkgeld gehört hier eben einfach dazu und man legt sich besser nicht mit diesen Wegelagerern an, die nicht nur bewaffnet sind, sondern einen auch für Stunden festhalten können. Für mich ist das reine Korruption. Der neue Präsident Kenyatta wurde für sein Versprechen gewählt, gegen die Korruption in Kenia vorzugehen und diese abzuschaffen. Ich habe meine Zweifel, denn es gibt zwar einen neuen Präsidenten, aber das über Jahrzehnte aufgebaute System seines Vorgängers Arab Mois wird nicht von heute auf morgen verschwinden. Ein Angestellter in einem Hotel verdient etwa 120 US-Dollar im Monat und Polizisten wohl kaum mehr. Warum sollten diese auch freiwillig auf ein Zusatzeinkommen, wie an der Sabaki-Brücke, verzichten?
Weil unser gemieteter Van schon mit Ausrüstungsgegenständen und einem Imbiss für die Schüler vollbeladen war, mieteten wir zusätzlich noch ein kleines dreirädriges Tuktuk an, was unsere restliche Ausrüstung, wie Schubkarren, transportierte. Den Fahrer hielten die uniformierten Ganoven an der Sabaki-Brücke fest und er sollte etwa 5 US-Dollar für die Weiterfahrt bezahlen. Mich regte das mächtig auf und nach einem Telefonat von Andrew durfte unser kleiner Tuktuk dann endlich ohne etwas zu bezahlen passieren. Wie gut, dass man Leute dabei hat, die das System und Auswege daraus kennen!
Nach etwa zwei Kilometer Fahrt auf einem löchrigen Weg endete diese für uns. Zu Fuß machten wir uns auf den Weg zum Treffpunkt. Die Schubkarren leisteten wertvolle Dienste über die Sanddünen. Es fing zu regnen an und in weiter Entfernung hörten wir Kinder als Begrüßung für uns singen. Etwa 50 Personen versammelten sich. Mehrere Lehrer, eine Schulklasse, Interessierte und auch die Aktivisten der Initiative. Gerne hielt ich vor allen einen Vortrag und lobte das tolle Engagement. Ich berichtete darüber, wie gefährlich die alten Netze und der Plastikmüll für viele Tierarten seien. Nicht nur in Kenia, sondern weltweit. Ich berichtete über meine Besuche in über 50 Ländern der Welt und wie notwendig es ist, aktiv gegen diese unsägliche Vermüllung vorzugehen. Ich erzählte von Makroplastik, wie Flaschen und Verpackungen und vom Mikroplastik, den man mit bloßem Auge fast gar nicht sehen kann. Ich hatte den Eindruck, dass wohl alle Teilnehmer noch nie etwas davon gehört haben. Wie hilfreich wäre es doch nur, wenn die Initiative einen Laptop und eine Webseite besitzen würde, um auch darüber zu informieren. Ich sagte den Kindern, dass ich Bilder von Fischen gesehen haben, die voll mit Plastikteilen waren. Die Augen der Teilnehmer wurden immer größer. Ich fragte sie, ob sie in Zukunft Plastikfische essen wollen? Ein lautes NEIN schallte mir entgegen. Ich sagte ihnen, dass aber genau das passieren wird, wenn wir es weiterhin zulassen, dass die Weltmeere weiterhin mit Plastik zugemüllt werden. Ich sagte ihnen, dass die Touristen hier auch keine Plastikfische essen möchten. Viele der Eltern leben von der Fischerei und auch vom Tourismus. Der Müll gefährde die Arbeitsplätze. In meinem Hotel sind Gäste aus der Schweiz. Sie erschraken über so viel Müll an den Stränden und werden Kenia wohl nicht mehr besuchen. Touristen wollen keinen Müll in ihrem Urlaub sehen. Viele der Hotels in Malindi haben bereits geschlossen und manche stehen zum Verkauf. Der Müll gefährdet also nicht nur die Umwelt und seine Tierwelt, sondern auch viele Jobs. Das Nicken vieler Köpfe zeigte mir, meine Botschaft kam an!
Leider regnete es in Strömen, aber niemand ließ sich davon abhalten, so viel Müll einzusammeln, wie nur möglich. Unsere Sammeltaschen füllten sich mit Plastikflaschen, Öl-Kanister, Sandalen, alten Netzen und weiterem Unrat. Die schon vorbereiteten Löcher zur Entsorgung des Mülls wurden wieder zugeschüttet. Ab jetzt wird der eingesammelte Müll abtransportiert und ordentlich entsorgt. Wow, wie man nur mit einfachen Mitteln einen wertvollen Beitrag leisten kann!
Zur Belohnung gab es zum Abschluss der Aktion noch einen Imbiss. Soda, Brot und Biskuits für alle. Freudige Gesichte im strömenden Regen. Ein Lehrer erzählte mir, dass die Schüler eigentlich die Schulkleidung für solche Aktionen nicht anziehen dürften. Diese müssen die Eltern privat bezahlen, auch wenn sich die manche nicht leisten könnten. Ideal wäre es eben, wenn die Kinder geeignete Kleidung für solche Aktionen in einem doch teilweise sumpfigen Gebiet hätten. Es gäbe Uniformen, aber die kann sich erst recht niemand leisten. 32 Kinder betreut der Lehrer, 24 Mädels und 8 Jungs, die alle bereit sind, an den Cleanups und Baumpflanzungen teilzunehmen. Er fürchte aber, dass manche wegen der fehlenden Kleidung bald nicht mehr daran teilnehmen dürften.
Der Sabaki-River führt gerade wenig Wasser - ideal zum Müllsammeln!
Fluss-Delta, Dünen und Meer
Das Büro der Initiative
Die Umweltschützer engagieren sich seit 2009. Zum ersten Mal erhalten sie eine ordentliche Ausrüstung.
Auf geht es zum Müllsammeln
Illegaler Einschlag von Mangroven
Eine Schulklasse erwartet uns bereits
Meine Rede wird mit Aufmerksamkeit verfolgt
Begeisterung und Dankbarkeit über die neue Ausrüstung
Ab nun werden keine Löcher mehr gegraben und der Müll verbuddelt.
Der Müll kann nun bei der städtischen Müllabfuhr entsorgt werden